Staat gegen Staatssender: MDR gewinnt jahrelangen Glyphosat-Rechtsstreit
Der Mitteldeutsche Rundfunk hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln einen jahrelangen Rechtsstreit um die Veröffentlichung eines Gutachtens ĂŒber das Pflanzengift Glyphosat gewonnen.
MDR-Programmdirektor Klaus BrinkbĂ€umer zur Entscheidung des OLG Köln: âDas Gericht hat diesen Versuch, Zensur ĂŒber den Umweg des Urheberrechts auszuĂŒben, ganz klar zurĂŒckgewiesen. Der Fall zeigt aber, dass die Rundfunkfreiheit auch in unserem Land jeden Tag aufs Neue verteidigt und erstritten werden muss.â
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Im Jahr 2015 hatte das ARD-Magazin âFAKTâ ĂŒber ein Glyphosat-Gutachten des Bundesinstitutes fĂŒr Risikobewertung (BfR) berichtet und dieses englischsprachige Addendum (Nachtrag) sowie eine deutschsprachige Kurzfassung auf seiner Internetseite veröffentlicht.
In dem Gutachten setzte sich die deutsche Behörde auch mit der Frage auseinander, warum die Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) zu einer völlig anderen Risikobewertung kam als das BfR selbst. IARC hatte Glyphosat in die zweithöchste Gruppe eingestuft (âwahrscheinlich krebserregend fĂŒr den Menschenâ).
Der Vorwurf von âFAKTâ lautete, dass das Bundesinstitut wichtige Informationen ĂŒber das mögliche Krebsrisiko von Glyphosat nicht benannt hatte. Aus dem von âFAKTâ veröffentlichten Glyphosat-Gutachten des BfR ging beispielsweise hervor, dass zahlreiche signifikante HĂ€ufungen von Tumoren in Tierversuchen nicht bemerkt oder verschwiegen worden waren und, dass man sich â offenkundig ohne PrĂŒfung â schlicht auf die Studienberichte der Hersteller verlassen hatte.
Mit der Veröffentlichung des Addendums sollten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer ein eigenes, umfassendes Bild machen können. Sie diente zudem in der Folge als Grundlage einer Bewertung dieses BfR-Gutachtens durch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Im November 2015 wandten sich knapp hundert von ihnen mit einem Protestschreiben an die EU-Kommission und warnten vor den Ergebnissen der Risikobewertung von Glyphosat durch das Bundesinstitutes fĂŒr Risikobewertung.
Gegen die Veröffentlichung der beiden Dokumente durch den MDR ging das Bundesinstitut mit dem Hinweis auf die Verletzung des Urheberrechtes der Autoren des Gutachtens juristisch vor.
Mit seiner heutigen Entscheidung wies das OLG Köln die Klage im Hauptsacheverfahren ab. Das Gericht folgte damit vorangegangenen Entscheidungen des EuGH und BGH, z.B. zu den sogenannten Afghanistan-Papieren. Das öffentliche Interesse hÀtte in diesem Fall ein höheres Gewicht als das Urheberrecht des BfR. Das Urteil ist noch nicht rechtskrÀftig, das OLG Köln hat jedoch eine Revision nicht zugelassen.
Der Justitiar des Mitteldeutschen Rundfunks, Prof. Dr. Ole Schröder: âIn dem vorliegenden Fall ging es dem MDR um eine rechtliche Grundsatzfrage. Dabei ist es wichtig, auf den Wegen durch die gerichtlichen Instanzen einen langen Atem zu beweisen.â
Bei dem aktuellen Urteil handelt es sich nicht um den ersten Rechtsstreit, den der MDR im Sinne der Rundfunkfreiheit gewonnen hat. Bereits im April 2018 hatte der BGH zum Beispiel entschieden, dass âFAKTâ eindrĂŒckliche Filmaufnahmen aus HĂŒhnerstĂ€llen zeigen darf, weil die Ăffentlichkeit daran grundsĂ€tzlich ein berechtigtes Interesse hat.